Schon eine ganze Weile trage ich mich mit dem Gedanken, die Abfüllungen der Lost Distillery Company zu probieren und zu besprechen. Nun ergab sich die Gelegenheit, als Jürgen Wedel mir schrieb, dass er die sieben Produkte der Classic Selection erworben hat und teilen möchte. Insofern gilt mein Dank Jürgen und auch Bernhard Rems von whiskyexperts.net, der mir die Veröffentlichung von Textauszügen erlaubt hat. Die Whiskys sind 2015 abgefüllt worden und sind weder gefärbt, noch kühlgefiltert. Der Alkoholgehalt beträgt 43% Vol. Doch zunächst einmal etwas zum Hintergrund:
Die Lost Distillery Company hat Lizenzrechte erworben, mit denen sie die Namen von längst geschlossenen Destillerien verwenden darf und versucht die damaligen Tropfen nach zu empfinden. Das erfordert nicht nur die hohe Kunst des Blendens – also die Vermählung von verschiedenen (in diesem Fall) Single Malts, sondern setzt natürlich voraus, dass man wissen muss, wie der damalige Whisky geschmeckt hat. Dazu werden Archive durchsucht, die örtlichen Gegebenheiten hinsichtlich der Rohstoffe untersucht und wissenschaftliche Hilfe in Anspruch genommen. Nunmehr versucht man den Charakter der damaligen-, mit heutigen Single Malts zu erreichen. Das sind mystische- und spannende Projekte. So werden wohl rund 15 verschiedene Whiskies in eigenen Fässern vermählt und dann abgefüllt. Das durchschnittliche Alter soll bei rund 15 Jahren liegen.
Sieben Neuinterpretationen werde ich also vorstellen. Die Reihenfolge habe ich anhand der Farbe bestimmt – von hell nach dunkel.
Margarete Marie hat sich schon 2014 der Thematik angenommen und Ihr findet auf ihrer äußerst informativen Seite auch weitergehende Infos:
http://whiskyundfrauen.blogspot.com/2014/03/lost-distillery-company-hatte-konnte.html#more
Infos gibt es natürlich auch hier:
http://www.lost-distillery.com/pages/Classic-Selection
und natürlich, wie oben schon angesprochen – hier:
https://whiskyexperts.net/neue-alte-whiskys-von-the-lost-distillery-company/
Teil 1 – Auchnagie
Die Brennerei existierte von 1812 bis 1911. Der Standort war in der Nähe von Pitlochry, in den schottischen Highlands. Die Brennerei Edradour produziert heute in der Umgebung des damaligen Sitzes. Das Wasser dort hat einen hohen Mineralgehalt und gilt als sehr weich. Das gestochene Torf hat einen hohen Anteil von Heidekraut und Moos. Bere Barley ist die verwendete Gerstensorte gewesen. Robust und seinerzeit von den Wikingern importiert. Der Charakter wird als eine „komplexe Komposition mit einem Geschmacksprofil aus Heidekraut, Birne und leicht gerösteter Eiche“ angegeben. Der Name stammt aus dem Gälischen:
Achadh na Gaoidhe (Der Wind auf den Feldern).
Kommen wir zum Getränk selbst:
Farbe:
Heller Weißwein
Geruch:
Der erste Eindruck ist erstaunlich. Man ist von der Farbe ja doch immer ein wenig voreingenommen. Aber hier kommt eine volle Fracht von frischen Früchten und floralen Aromen. Es ist wirklich sehr
schwer, die einzelnen Aromen zu bestimmen. Auf der floralen Seite, lege ich mich auf Lavendel fest. Die Früchte sind hell und mal kommen Zitrusaromen stärker zum tragen, mal ist es Apfel und
Honigmelone. Dazu kommt eine vanillige Süße und als Kontrapunkt etwas feuchter Waldboden.
Geschmack:
Der Antritt ist weich und cremig auf dem Gaumen. Auf der Zungenspitze macht sich schwarzer Pfeffer bemerkbar, der sich langsam auflöst und den Mundraum mit schöner Würzigkeit füllt. Dies geschieht aber eher im Hintergrund und wandelt sich bis zum Abgang hin, in ein Mix von Eiche/Röstaromen und subtiler Nussigkeit. Vorrangig sind aber Aromen von Äpfel und Birnen - verbunden mit Bienenhonig. Auch sind Cerealien zu schmecken, die beim zweiten Schluck auch Orangenkekse sein könnten. Der Alkoholgehalt ist gut gewählt, gerade so, dass er die Aromen sanft anschiebt. Insgesamt also süß, würzig und fruchtig. Harmonisch und keineswegs wild.
Abgang:
Mittellang, mit Aromen von Eiche, Zitronengras und Anis.
Fazit:
Die Flasche kostet momentan rund 40 bis 45 EUR. Der Auchnagie erzählt eine Story, verfügt über ausreichend Komplexität und ist ein sehr harmonischer Vertreter. Mich erinnerte er mit einigen
Einflüssen an den Brennereicharakter von Tomatin und Laddie. Also, gefällt mir und das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Schließlich ist es auch ein Blend, der nur Single-Malt-Whisky enthält und
mit immerhin 43% abgefüllt ist. Ob er jetzt dem Original nahe kommt? Man kann es nicht wissen, aber die Birne und die geröstete Eiche ist immerhin zu schmecken.
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